Ablauf
Der Heilungsraum beginnt mit einer musikalischen und spirituellen Einstimmung. Gesang, Gebet und ein biblischer Impuls führen ein in die heilende Dimension des Glaubens. Die Bibel versteht ja unter Krankheit nicht nur das körperliche Leiden, sondern viel umfassender die Abwesenheit von Lebenskraft. Dazu gehören z. B. Müdigkeit, Erschöpfung, körperliche oder seelische Schwäche sowie organische Krankheiten oder Verwundungen. Es geht darum, diese Lebenskraft wieder neu zu empfangen und aus ihr zu leben. Zur Gesundung gehört dann ebenso die Heilung von belasteten und blockierten Beziehungen - in uns selbst, zu anderen Menschen, zur Schöpfung und zu Gott.
Wer das Neue Testament aufmerksam liest, der wird feststellen: immer geht es darin um Gottes heilvolles Handeln an den Menschen in Jesus Christus. Und wer noch genauer hinschaut, der wird entdecken, dass ein großer Teil aller neutestamentlichen Bibelstellen Heilungsgeschichten sind! Durch ein heilsames Wort, ein sich Zuwenden oder das Auflegen der Hände wurden die Menschen an Leib und Seele gesund. Sie spürten: von Jesus geht eine Kraft aus, die aufrichtet und verwandeln kann. Während in der Urkirche dieser Zusammenhang von Glaube, Verkündigung und Heilung noch bestand rückte er in der Folgezeit zunehmend auseinander. Die Frage nach der Heilkraft des Glaubens wird allerdings heute auch durch Erkenntnisse der Psychologie und Psychosomatik wiederentdeckt bzw. bestätigt. Wie oft hat Jesus am Ende einer Heilungsgeschichte zu den Menschen gesagt: „Dein Glaube hat dir geholfen!“ Der Heilungsraum will diese heilende Dimension des Glaubens wieder bewusst machen.
Nach der gemeinsamen liturgischen Einstimmung im Heilungsraum gehen die Besucher in einen der durch Paravents abgetrennten Bereiche, um dort in ihrem persönlichen Anliegen von zwei Personen aus dem Heilungsteam begleitet zu werden. Es kommen Menschen, die auf der Suche sind nach körperlicher, seelischer und geistiger Heilung. Dabei lassen sie sich im Gespräch, Gebet oder durch Handauflegen unterstützen.
Mal sind es chronische Krankheiten, mal akute Beschwerden, die die Menschen in den Heilungsraum führen. Andere kommen wegen persönlicher Schwierigkeiten und Beziehungsproblemen. Einige wollen nur die wohlwollende und wohltuende Atmosphäre erfahren. Manche wünschen gezielt die Kraft des Handauflegens; andere wiederum suchen für sich den persönlichen Zuspruch und Segen. Die Bedürfnisse sind vielfältig und doch dürfen Menschen im Heilungsraum immer wieder die Erfahrung machen: Dasein tut gut, Reden tut gut, Berührung tut gut, Segen tut gut. In einer Zeit wo Vereinsamung und Leistungsdruck immer mehr zunehmen ist es für viele wohltuend loszulassen, aufzutanken und das Gefühl zu haben, mit den eigenen Sorgen, Nöten und Empfindungen ganz persönlich gemeint zu sein. Heilsame Prozesse können so in Gang kommen.
Seit Sommer 2009 gibt es das diakonisch-spirituelle Angebot in der Böblinger St. Bonifatiuskirche. Ein Projekt, das aus der Katholischen Erwachsenenbildung im Kreis Böblingen erwuchs und nun von der Katholischen Gesamtkirchengemeinde getragen wird. Die Mitglieder des Heilungsraum-Teams haben sich in vielfältiger Weise mit dem eigenen Heilungsprozess auseinandergesetzt und sich in der Heilkraft des Glaubens und in der Begleitung durch Handauflegen ausgebildet.
Autor: Frank Kühn